Thomas Virnich
Spielzeugwelt
Der Künstler ist ein leidenschaftlicher Besucher von Flohmärkten und
Trödelläden. Dort findet er Objekte, die seine umschaffende Fantasie
anregen. Die er in spielerische Weise verändert, bis nicht nur ihre Form,
sondern vor allem auch ihre Anmutung zu einer grundlegend anderen
geworden ist. Wie der Globus, den er vor einigen Jahren in Stücke
schnitt und mit Hilfe eines Drahtes wieder zusammen fügte. Und der
danach so zerbrechlich und schutzbedürftig aussah, wie die Erde nach
Ansicht von Thomas Virnich tatsächlich ist.
Auch wenn der Maler und Bildhauer den spielerischen Umgang mit
Fundstücken und Materialien liebt, sind seine Skulpturen, Architektur -
modelle und Buchobjekte doch alles andere als naiv, sondern in ihrer
ästhetischen Faktur äußerst raffiniert und anspielungsreich. Das trifft
auch auf die „Bauklötze“ (2000/2014) genannten Werke zu, die er unter
Bäumen auf dem Rasen des Unterguts verteilt hat: Glasierte Keramiken
in den ausgeblichenen Farben der Vergangenheit, denen der Künstler als
reliefartige Hohlformen Spielzeuge seiner längst erwachsenen Kinder
eingeprägt hat. Die Einzelteile lassen sich als Mosaik und Kolumbarien-
Wand zusammenfügen. Zum Bild, das uns daran erinnert, wie wir zu
denen wurden, die wir sind.
„Die Welt am Kleiderhaken“ hieß eine Ausstellung, die Thomas Virnich
Anfang dieses Jahres in Duisburg hatte. Ein wunderbar poetischer Titel.
In erhellender Weise macht er deutlich, wie sehr im Werk des Künstlers
das Private und Öffentliche, das Persönliche und Allgemeine miteinander
verbunden sind. Für Theodor Adorno war ihre politische Grundierung für
die Kunst Pflicht. Bei Thomas Virnich kommt sie ebenso selbstverständlich
wie diskret einher.
(Michael Stoeber)
Bauklötze
Keramik glasiert, 2000/2014
Vita
* 1957 in Eschweiler, lebt und arbeitet in
Mönchengladbach und Soller, Mallorca
1978–81 Studium an der RWTH Aachen bei Joachim
Bandau und 1981–85 an der Kunstakademie Düsseldorf
bei Alfonso Hüppi und Eugen Gomringer
1983 Förderpreis der Stadt Aachen; Förderpreis des
Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft
1987 Villa-Romana-Preis, Florenz
1987–89 Karl-Schmidt-Rottluff-Stipendium
seit 1992 Professur an der Hochschule für Bildende
Künste in Braunschweig
1995 Stipendium Villa Massimo, Rom
2001 Niedersächsischer Kunstpreis
Einzelausstellungen (Auswahl):
2000 "Künstlerbücher", Museum Burg Wissen, Troisdorf
2001 Museum Wiesbaden, Wiesbaden, Kunstmuseum
Unser Lieben Frauen, Magdeburg, Städtisches Museum
für Design, Nürnberg, Städtisches Museum Abteiberg,
Mönchen gladbach
2002 "Bescherung", DG Deutsche Gesellschaft für
Christliche Kunst e.V., München
2003/04 "Schatztruhe", Stiftung Wilhelm Lehmbruck
Museum, Duisburg
2007/08 "Umgestülpter Engel. Multiples 1983–2007",
Aargauer Kunsthaus, Aarau, Museum Wiesbaden,
Wiesbaden, Skulpturenmuseum Glaskasten, Marl
2010 "Thomas Virnich", Littmann Kulturprojekte, Basel,
Zürich
2011 "Paradies Hin und Zurück", Roemer-Pelizaeus-
Museum, Hildesheim
2012 "Erdgeister", Galerie Reckermann, Köln
2014 "Zerschmolzen und Versilbert", Galerie Florian Sund -
heimer, München, "Die Welt am Kleiderhaken, Museum DKM,
Duisburg, "on mountains and other holes", Galerie Michael
Haas, Berlin
Weitere Ausstellungen (Auswahl):
1987 documenta 8
2004 "La bellesa del fracàs / El fracàs de la bellesa",
Fundació Joan Miró, Barcelona
2005 "Rundlederwelten", Gropius Bau, Berlin