Neue Kunst in alten Gärten 2014 SPIELEN | PLAY
07. September – 12. Oktober 2014 Samstag und Sonntag 11–17 Uhr
Folgende KünstlerInnen sind beteiligt:
Hanneke Beaumont
Oliver Blomeier
Sina Heffner
Bernhard Heiliger
Gilta Jansen
Leonard van Munster
Werner Pokorny
Paul Schwer
Christian Sievers
Gaby Taplick
Thomas Virnich
Rosmarie Weinlich
Michael Zwingmann
Editorial | Einführung. Michael Stoeber | Förderer
Editorial
„Ein Spiel mit ernsten Problemen. Das ist Kunst.“
Kurt Schwitters
In jedem Kunstwerk steckt ein Aspekt des Spiels mit zahllosen
Möglichkeiten – ähnlich verhält es sich mit der Konzeption der
Ausstellung Neue Kunst in alten Gärten – unserer Calenberger
Biennale in den Parks von Ober- und Unter gut in Lenthe.
Als Initiative aus Kunstinteressierten, Rittergutsbesitzern und
Künstlern entwickelt der Verein Neue Kunst in alten Gärten e. V.
das Konzept, realisiert die Ausstellung und stellt die Parks zur
Verfügung.
Wir freuen uns, Ihnen zum sechsten Mal Neue Kunst in alten Gärten präsentieren zu dürfen. Unter dem Leitmotiv Spielen | Play haben
die Kuratoren Hannes Malte Mahler und Hartmut Stielow eine
Reihe von Künstlern eingeladen, spezielle Arbeiten für die Parks
zu realisieren oder auszuwählen.
Sie erwartet ein ebenso spielerischer wie inhaltsreicher Parcours
zeitgenössischer Kunst in der perfekten Kulisse der historischen
Gärten.
Wir bedanken uns herzlich bei unseren grosszügigen Förderern.
Neue Kunst in alten Gärten e. V.
Michael Stoeber
Homo ludens
Wer Kindern zuschaut, die in heiligem Ernst spielen, könnte
neidisch werden. Mit oft bescheidensten Mitteln vermögen sie,
sich im Spiel Welt und Wirklichkeit mit allen Sinnen anzueignen.
So intensiv, dass sie alles andere um sich herum vergessen.
Ein solches, unabgelenktes Spielen, in dem der Spielende ganz
aufgeht, wurde für Friedrich Schiller in seinen „Briefen über
die ästhetische Erziehung des Menschen“ aus dem Jahre 1795
zum lobens- und nachahmenswerten Modell eines auf Schönheit
basierenden Humanitätsideals. Schön ist ein solches Spielen,
weil es „frei in der Erscheinung“ ist, so der Dichter in „Kallias
oder über die Schönheit“, und human, weil der Mensch in ihm
zu sich selbst findet und dadurch zum anderen. Im 15. Brief
über ästhetische Erziehung schreibt Schiller die berühmten
und oft zitierten Sätze: „Der Mensch spielt nur, wo er in voller
Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz
Mensch, wo er spielt.“ Im Spiel ganz zum Menschen zu werden
heißt für Schiller, sich einer Tätigkeit zu widmen, an deren
Zustandekommen Herz und Verstand gleichermaßen beteiligt
sind. Und sie sind es umso mehr, als das Spiel keinem fremden,
dem Spielenden oktroyierten Zweck folgt.
Anders als die Arbeit. Sie wird umso saurer und mühseliger,
je eindeutiger und klarer sie einem fremden Willen unterliegt.
Das haben Kunst und Spiel gemeinsam: Sie folgen eigenen
Zwecken und tun eine Sache um ihrer selbst willen. Der
Eigensinn, von dem sie sich dabei leiten lassen, hat auch
Friedrich Nietzsche Jahre später dazu gebracht, Künstler und
Kinder in Allianz zu sehen: „Ein Werden und Vergehen, ein
Bauen und Zerstören in ewig gleicher Unschuld hat in dieser
Welt allein das Spiel des Künstlers und des Kindes.“ Für Schiller
ging es indes nicht darum, ein exklusives Verhaltensmodell für
wenige zu skizzieren, sondern für alle. Was der Idealist in
seinen Briefen als erstrebenswertes Ziel menschlichen
Verhaltens darstellte, nimmt Johann Huizinga 1939 in seinem
Buch „Homo ludens“ wieder auf und generalisiert es in Form
einer anthropologischen Konstante. Er sieht im „spielenden
Menschen“ eine Grundkategorie menschlichen Verhaltens verkörpert.
Ihm zufolge entwickelt nicht nur der Mensch über das
Spiel seine Persönlichkeit, auch kulturelle Systeme wie Politik,
Wissenschaft, Religion und Recht kommen zustande, weil sich
in ihnen im Laufe der Zeit spielerische Verhaltensweisen
institutionell verfestigen.
Der Gegenbegriff zum Homo ludens ist in der philosophischen
Anthropologie der Homo faber, den Max Fritsch zum Protagonisten seines 1957 erschienenen, gleichnamigen Romans
machte. Es ist der die Welt nach Maß und Zahl vermessende
und aufbauende Ingenieur. Der kartesianische, rechnende und
rationale Mensch als Antipode zum fantasiebegabten, sich
spielerisch und künstlerisch die Welt aneignenden Menschen.
Letztendlich haben wir es hier mit Kristallisationen zu tun,
während die Wirklichkeit permanent Mischformen hervorbringt,
also den rechenden Künstler ebenso wie den künstlerischen
Rechner. Wenn die NKIAG den Begriff „Spielen“ zum Thema
ihrer Biennale 2014 gemacht hat, dann hebt sie damit in
gewisser Weise den Kunstprozess hervor und stellt ihn vor
das fertige Werk. Wobei natürlich dennoch in gut Hegelscher
wie Heideggerscher Manier „im Sein das Seiende aufgehoben“
ist. Vor allem aber verschiebt sie den Fokus der Betrachtung
von der Produktionsästhetik auf die Rezeptionsästhetik. Wie
nie zuvor wird in dieser hervorragenden Ausstellung auch der
Betrachter zum Spieler, der sich in schönster ludischer Manier
der Entschlüsselung der Exponate widmet.
mit freundlicher Unterstützung durch